Zwei Dinge machen den Meister: Übung und das Meisterstück. Carmen Schwarz aus dem mittelfränkischen Kammerstein beweist, dass so etwas auch in jungen Jahren geht. Mit ihrer raffinierten „Säule von Troja“ schuf die 22-Jährige ein Stück, das einige Überraschungen bereithält.

Foto: David Franck

Ein besonderer Blickfang sollte es sein, das Meisterstückvon Carmen: modern und geradlinig, ohne Griffe und ohne organische Formen. Und natürlich: „meisterlich“, wie es das Handwerk verlangt. Im letzten Jahr hat sie ihre eigene Wohnung bezogen, und dort sollte ihre hängende Säule ins Wohnzimmer passen. Was das Design betrifft, aber auch die ausgeklügelten Funktionen.

Carmen ist eine von zwei Frauen nebst 20 männlichen Mitschülern – und eine der Jüngsten ihrer Meisterklasse am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Gunzenhausen. Sie ist stolz darauf, trotz ihrer jungen Jahre Drittbeste ihrer Meisterklasse zu sein. Seit 28 Jahren leitet ihr Vater seinen eigenen Schreinerbetrieb, ihre Mutter das Büro. So ist sie in den Beruf hineingewachsen. Aber nur im Büro hocken, erzählt sie, das konnte sie noch nie: „Ich musste immer auch was Handwerkliches machen.“ Sie absolvierte die Schreiner-Ausbildung und arbeitete als Geselle. Dass sie dann auch die Meisterschule machte, war selbstverständlich – auch für die damals 20-Jährige: „Man weiß ja als Frau nie, ob man später noch die Zeit dafür hat“, sagt Carmen abgeklärt.

Der Apothekerauszug ist eine
echte Überraschung.

Genauso überlegt ging sie auch an ihr Meisterstück heran. Es sollte eine freie Fläche in ihrem Wohnzimmer „füllen“, Stauraum bieten und dabei durch ausgefeilte Funktionen einen klaren Nutzen stiften. Herzstück ist ein Apothekerauszug, den man hinter der durchgestylten Front mit massiven Leisten, europäischem Ahornfurnier und dunkelgrauem Möbellinoleum wahrlich nicht vermutet. Durch ihn lässt sich die obere Säulenhälfte komplett nach vorne ausfahren. So ist das hölzerne Innenleben, das Weinflaschen und hängende Weingläser aufnimmt, bequem von zwei Seiten zugänglich.

Foto: David Franck

„Säule von Troja“: Hinter dieser „Fassade“ vermutet man vieles – aber keinen Apothekerauszug.

Außerdem beherbergt das „Stück“ drei Schubladen, eine davon ein Vollholzauszug: „Den sehen die Prüfer gern, weil er handwerklich hochwertig ist.“ Bei einer weiteren Schublade steht der Praxisnutzen im Vordergrund: Zur variablen Inneneinteilung hat Carmen Holzleisten mit Magneten versehen und als Schubladenboden einen roten Magnetschichtstoff verwendet. So lässt sich die Einteilung durch einfaches Verschieben sekundenschnell nach Bedarf anpassen.

Foto: David Franck

Meisterliche Tradition: Bei den Schuladen durfte auch ein Vollholzauszug nicht fehlen.

Warum eigentlich „Säule von Troja“? Es ist eine Anspielung auf das berühmte Trojanische Pferd, bei dem man ja bekanntlich nicht wusste, dass etwas drin ist. Und so ähnlich, sagt Carmen, ist es auch bei ihrem geheimnisvollen Meisterstück: Man weiß einfach nicht, wo man es öffnen soll. Weshalb es für sie auch zwingend notwendig war, ihrer Dokumentation eine Bedienungsanleitung beizufügen: „Der Prüfungsausschuss muss halt wissen, wo er hin fassen darf, ohne was kaputtzumachen.“ Das gilt übrigens auch für das Geheimfach, das es in Carmens Säule ebenfalls gibt. Wo es ist, wird aber nicht verraten.